Gemeinsam vorausdenken: Leitplanken für Bildung und Beschäftigung von Flüchtlingen
Wer muss was tun, damit schnellstmöglich die
berufliche Integration von Flüchtlingen mit Bleibeperspektive auf den Weg gebracht wird und gelingen kann? Als Bildungspartner der Wirtschaft mit zusätzlich umfangreicher Erfahrung als Anbieter von Sprach- und Integrationskursen, brachte das bbw am 3. Dezember 2015 die wichtigsten Akteure zum gemeinsamen Austausch in einer erweiterten Sondersitzung seines Bildungsbeirats zusammen.
Dabei ging es um
Information aus erster Hand über den
gesetzlichen Rahmen, wichtige
Leitplanken und
geeignete (Bildungs-)Wege zur Integration der Flüchtlinge und Asylbewerber in
Arbeit, erste
Initiativen in den Firmen, passende
Förderprogramme,
Erfahrungen und
Handlungsspielräume auf dem Weg zu beruflicher und damit schließlich auch zu sozialer Integration.
Wolfgang Meier, der Referatsleiter des Bundesamtes für Flüchtlinge und Migration für Berlin,
Bernd Becking, der Operative Geschäftsführer der Regionaldirektion Berlin-Brandenburg bei der Bundesagentur für Arbeit und der
Geschäftsführer der Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg, Alexander Schirp, gaben den geladenen Wirtschaftsvertretern in ihren Impulsvorträgen dazu detailliert Auskunft und eine hervorragende Fakten-Basis für die anschließende Diskussion.
Einigkeit bestand darüber, dass
Sprachkenntnisse eine unverzichtbare Voraussetzung für den beruflichen Einstieg sind, aber sie müssen nicht perfekt sein. Wichtig ist die möglichst
frühe Integration in den Arbeitsmarkt. Dort können Sprachkenntnisse vervollkommnet werden. Jetzt komme es praktisch darauf an, mit passenden Bildungsgängen
"Integrationsfähigkeit herbeizuführen". Derzeit laufen u.a. beim bbw
Einstiegskurse in die deutsche Sprache
oder auch Willkommenskurse genannt,
Integrationskurse
, die auch Sprachunterricht und gesellschaftsbezogene Orientierung sind sowie
berufsbezogene Sprachförderung (ESF-BAMF-Kurse)
.
Der Trend, so wird vermutet, wird neben der Sprachförderung wahrscheinlich stark in Richtung
Ausbildung bzw. Umschulung gehen. Das passe zur
Altersstruktur der Asylbewerber. Zwei Drittel sind unter 35 Jahre, etwa ein Drittel sogar erst 16 - 25 Jahre alt. Zu den beruflichen Qualifikationen der meisten Zuwanderer (seit dem Sommer dieses Jahres) gibt es noch keine belastbaren Erhebungen: Für Prognosen dienen deshalb die Zahlen der Asylbewerber, die zwischen März 2013 und 2015 nach Deutschland gekommen sind. In diesem Zeitraum hatten 81% keine formale berufliche Qualifikation. 11% konnten eine berufliche Qualifikation / Ausbildung vorweisen, 8% brachten eine akademische Ausbildung mit. Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird auch unter den seitdem Angekommenen eine erhebliche Anzahl von Asylbewerbern ohne formalen Berufsabschluss sein. Darauf müssen sich Bildungsanbieter und Unternehmen einstellen.
Aber, schon jetzt gilt, wer offiziell als Flüchtling anerkannt ist, so der
Geschäftsführer der Regionaldirektion der BA,
Bernd Becking, dem steht wie jedem einheimischen Arbeitsuchenden die gesamte Bandbreite von Leistungen der Bundesarbeitsagentur zur Beschäftigungsförderung zur Verfügung: Von der
Beratung, über die Arbeitsvermittlung, die Finanzierung von Förderungsleistungen, Qualifizierungsangebote bis hin zum Angebot
geförderter Beschäftigung.
Weil schon mehrere
Berliner und Brandenburger Firmen Einstellungsbereitschaft für Flüchtlinge signalisiert haben, bietet die Bundesarbeitsagentur den Firmen über eine spezielle Webseite mit
Jobbörse für Flüchtlinge schon jetzt die Möglichkeit, dort gesuchte
Kompetenzprofile zu
hinterlegen. Es läuft parallel dazu bereits ein
Projekt zum freiwilligen "Kompetenzscreening für berufliche Fähigkeiten" von Flüchtlingen mit hoher Bleibewahrscheinlichkeit, um vorhandene Kompetenzen sofort zu erfassen und ihnen als eventuell passende Bewerber schnell unbesetzte Stellen empfehlen zu können. Wichtig wäre jetzt, bei Bedarf direkt mit dem
Spezial-Team
der Arbeitsagentur zusammenzuarbeiten, damit im Fall einer geeigneten Stelle niemand mit passenden Kompetenzen und Voraussetzungen demotiviert zurückbleibt.
Wenn es um die
fachliche, berufspraktische Qualifizierung geht, existieren durchaus schon
einige geeignete Konzepte, teilweise schon im vorigen Jahr entwickelt, die bisher zumindest in Berlin und Brandenburg wenig genutzt wurden, aber dennoch jetzt erfolgversprechend erscheinen. So z.B. die
Arbeitgeberinitiative "TQ-Teilqualifizierung". Es wurde einst mit Blick auf die einheimischen Arbeitsuchenden mit geringer Qualifikation für den bundesweiten Einsatz konzipiert und bietet frei wählbare Bausteine aus verschiedenen Ausbildungsberufen mit Fachkräftemangel, die nun auch für Zuwanderer ein interessanter Weg in Beschäftigung und zu einem hier anerkannten Abschluss sein könnten. Das
Programm WeGebAU
könnte hier zur Förderung nützlich sein. Die Industrie- und Handelskammern (IHK) der Region gehen bisher bei der Modularisierung und Anerkennung von Teilqualifizierung bereits in acht Berufsbildern mit gutem Beispiel voran.
Viele der anwesenden Firmenvertreter nahmen die Informationen dankbar auf und betonten, dass sie das Treffen des bbw Beirats für Bildungsdienstleistungen und der gemeinsame Austausch über die aktuellen Entwicklungen und Erfahrungen in ihrem Engagement motivieren würden, gemeinsam mit der BA und der kooperierenden Ausländerbehörde berufliche Perspektiven für so viele Flüchtlinge wie möglich zu schaffen. Aber natürlich hänge das von konkreten geeigneten Arbeitsplätzen und von der Planungssicherheit (z.B. im Fall von Abschiebung), von den generellen rechtlichen Rahmenbedingungen ab. Für arbeitsrechtliche Fragen weist
UVB-Geschäftsführer Alexander Schirp die Mitgliedsunternehmen darauf hin, in diesem Bereich eine der Kernkompetenzen der Unternehmensverbände nutzen zu können.
Die Personaler von
Siemens oder
Gegenbauer berichteten in diesem Zusammenhang von ersten positiven Erfahrungen mit
Projekten, die einen Einblick in die Arbeits- und Unternehmenswelt ermöglichen. Dort konnten einige Flüchtlinge z.B.
Praktika absolvieren, an
Einstiegsqualifizierungen teilnehmen oder
assistierte Ausbildungen beginnen. Auch bei
Daimler wurde die Erfahrung gemacht, dass Praktika für Flüchtlinge mit noch nicht allzu guten Sprachkenntnissen zwar betreuungsintensiver seien, aber auch viel bewirken könnten. Sowohl bei den Flüchtlingen, als auch bei den Mitarbeitern im Unternehmen. Natürlich wurde auch die Frage gestellt, wie die Praktikanten anschließend in gute Beschäftigung gebracht werden können - aber selbst ohne direkten Jobanschluss, seien Praktika wichtige Berufserfahrungen und für Flüchtlinge generell wertvolle Referenzen. Deshalb will Daimler das Praktikumsprojekt nun auch bundesweit ausrollen.
Mit dem Blick auf die Unterschiede in der Berufsausbildung im Vergleich zu den Herkunftsländern und Deutschland wurde auch auf die Wichtigkeit hingewiesen, dass möglichst schon in den Integrationskursen das deutsche
Ausbildungssystem so ausführlich wie möglich erklärt werden sollte. Auch für den
Umgang mit Kriegs-/Flucht-Traumata müssten mehrere Weichen gestellt werden, die z.B. Ausbildungs- oder Umschulungsabbrüche wirksam minimieren können.
Personalleiter Claus Kohls von der Firma Gegenbauer bedankte sich bei BAMF, Bundesarbeitsagentur und den anderen wichtigen Akteuren für ihr besonderes Engagement in den vergangenen Monaten. Er sehe die Weichen für die berufliche Integration der Flüchtlinge gut gestellt. Er betonte auch die Wichtigkeit solcher Treffen mit der Wirtschaft und würdigte die Idee, sie demnächst auf Branchenebene fortzusetzen.
Für das Bildungswerk der Wirtschaft in Berlin und Brandenburg versichert
bbw Geschäftsführer, Dr. Andreas Forner: "Wir sind vorbereitet. An der Seite der Wirtschaft sind wir auch im kommenden Jahr bereit und in der Lage, berufliche Integration von Flüchtlingen und Asylbewerbern mit Sprach-, Integrationskursen und praktischer Berufsbildung wirksam voranzubringen und Firmen dabei aktiv zu begleiten. Wir
verdoppeln 2016 unser Angebot an berufsbezogenen Deutschkursen, wir
dehnen die Integrationskurse auf das gesamte Berliner und Brandenburger Standortnetz aus und arbeiten zusammen mit der UVB, dem bbw Beirat für Bildungsdienstleistungen, Verbänden und Innungen an passenden Modellprojekten. Wir sind auch auf noch zu erwartende Anforderungen bei der
Kompetenzfeststellung,
Alphabetisierung und die
Vermittlung von Wissen zur Erreichung von Schulabschlüssen eingestellt. Und wir sind dabei, die in Berlin gewonnenen Erfahrungen und Potenziale auf unsere Brandenburger Bildungszentren zu übertragen."